6
Jun
2007

Kokain in den Medien III

Solcher Stoff, schwärmt ein Konsument, mache alles leichter, besonders "das Flachlegen der Mädels". In vielen besseren Restaurants ist es mittlerweile normal, wenn sich Minigruppen Richtung Toilette aufmachen. Niemand vermutet mehr Erkältungen, wenn hektisch plappernde Besucher mit dem Zeigefinger unter der Nase hin- und herfahren, was sicherstellen soll, dass keiner der kostbaren Kristalle auf den Nachtisch-Pudding fällt.

"Auf jeder Party mit einem gewissen Glamour-Faktor laufen eine Menge Kokser herum", sagt Holger Jung von der Hamburger Werbeagentur Jung van Matt, "so leicht unser Leben heute ist, so schwer ist es, sich als Individuum zu differenzieren."
Das Defizit wird durch den Schnee und das Ritual des Koksens kompensiert. Wichtig sind dabei die Details. Ein bekannter Autor legt Wert darauf, seine Koksklumpen nur mit der Douglas-Kundenkarte zu zerkleinern; andere finden es besonders witzig, ihre Krankenkassenkarte auf der Toilette zu zücken. Die diskreteste Applikation des Kokains praktiziert ein Hamburger Börsenmakler: Er füllt eine hochprozentige Kokslösung in ein handelsübliches Nasenspray-Fläschchen der Marke "Nasivin" und bedient sich im überfüllten Schankraum einer Szenekneipe. Der lässige Spruch dazu: "Das ist gegen meinen kolumbianischen Heuschnupfen."

Das ist das Wichtigste: cool und gleichzeitig kreativ zu sein.
Wie Ideen durch den Kopf rennen, beschreibt der Popliterat Benjamin von Stuckrad-Barre, 25, in seinem Buch "Blackbox" - verschlüsselt in der Metapher eines Mannes, der am Computer sitzt:
"Ein Gedanke kommt, sehr wirr, unformatiert, soll der Gedanke sofort versendet werden? O.K. Jetzt reden sie, reden, reden: Lauftext." Das "Zeug", gemeint ist offensichtlich Kokain, "räumt die Festplatte auf - neue Kapazitäten werden frei. Sie klicken die Lupe an und untersuchen die neuen Daten mal genauer, laden sich noch was runter, erstellen neue Linien und vergleichen die Dokumente. Sie fühlen sich frisch, wie neu installiert."
Das muss die Sprache derer sein, die Bescheid wissen und das Tempo der neuen Zeit mitbestimmen.

Der Modedesigner Wolfgang Joop erinnert sich gut noch an eine Party in den achtziger Jahren, zu der lauter Prominente geladen waren. Zu essen gab es nichts. Stattdessen lag an jedem Platz auf dem Tisch "ein Onyx-Brett mit Rillen, außerdem ein kleiner Löffel und ein goldener Strohhalm". Zu dieser Zeit, erzählt der Modeschöpfer, trugen viele auch noch eine goldene Rasierklinge von Cartier um den Hals - ein praktisches Schmuckstück zum Abteilen des Stoffs.

Natürlich ist Kokain immer noch die Droge der Mode- und Popwelten. Das Supermodel Kate Moss kam vor zwei Jahren nach Alkohol- und Drogenexzessen in eine Entzugsklinik. Im vergangenen Jahr deckte ein BBC-Fernsehteam auf, wie Agenturbosse damit prahlten, junge Mädchen mit Kokain gefügig und abhängig zu machen. Über die Kokainprobleme der Popsängerin Whitney Houston wurde diesen Sommer in europäischen und amerikanischen Zeitungen offen spekuliert; Elton John outete sich im SPIEGEL: "Es war die erste Droge in meinem Leben, die ich mochte. Auf einmal konnte ich reden, stundenlang."

Auch in deutschen Studios erzählen Teilnehmer von Film- oder Fernsehproduktionen hinter kaum vorgehaltener Hand über Kokainkonsum am Set, an dem sich mal nur Leute vom technischen Personal, mal einer oder mehrere der Schauspieler und mitunter auch der Regisseur beteiligt hätten.

In der Kunstwelt gehören schwärmerische oder geheuchelt mitleidige Berichte vom Kokainschnupfen am Rande des Alltagsgeschäfts ebenso zum Konversationsgeplauder wie in der Medienszene und in deutschen Theatern. Zu den Klatschgeschichten zählt die über den Chefredakteur eines überregionalen Blattes, der in wichtigen Sitzungen viermal in zwei Stunden auf die Toilette eilt, ebenso wie die über den Kollegen in einem Hamburger Verlag, bei dem die ganze Redaktion ihren Bedarf decken konnte.

Und dann gibt es da noch jenen Berliner Dramatiker, der so abhängig von der Droge war, dass er sich nicht für jede Dosis von neuem auf die Toilette zurückziehen wollte: Also habe er sich den Fingernagel seines kleinen Fingers an der rechten Hand auf monströse Länge wachsen lassen und bei Partys und Empfängen auf höchst nonchalante Art geschnupft: Ein fahriger Griff in die Jacketttasche, die er mit großen Mengen des Pulvers gefüllt hatte, ein beiläufiges Kratzen an der Nase, und der gute Mann war wieder in Topform.

Weil der Besitz der Droge strafbar ist, geben Prominente aus der Show-Welt allenfalls rückblickend über ihre Kokain-Eskapaden Auskunft:
Iris Berben bekannte sich in einem Interview dazu, den Stoff genommen zu haben; Uwe Ochsenknecht sprach über den "Schwachsinn", sich auf das Pulver eingelassen zu haben. Zu den mit Kokain ertappten Sündern zählen Drafi Deutscher, Fritz Wepper und natürlich Konstantin Wecker, der sich in seinem Münchner Heim als Crack-Koch betätigte. Der Meisterkoch Eckart Witzigmann hat gekokst, dito der ehemalige Fußballer Jimmy Hartwig und der einstige Boxer René Weller.
Fünf Gramm pro Tag brauchte der Schauspieler Ernst Hannawald. Und trotzdem reichte es nicht, um die Fledermäuse und schwarzen Schatten zu verjagen, die ihn plagten. Irgendwann war Hannawald ein Wrack: die Nase blutverkrustet, zittrig, 100 000 Mark Schulden. Also überfiel er eine Post-Filiale, ging zum Koksen nach Hause, und dann überfiel er eine Sparkasse. Er nahm 25 000 Mark mit, verlor einen Großteil während der Flucht und wurde geschnappt. "Es war wie in Trance", erzählte er, "ich erinnere mich nur noch an Panik und Herzflattern."

Abschreckend wirken solche Berichte nicht. Immer wieder finden Dopingfahnder im Urin von Spitzensportlern Reste von Koks. Der englische Hockey-Olympiasieger Russel Garcia, der beim ehemaligen Deutschen Meister Harvestehude THC wirkt, wurde für Monate gesperrt, weil er Kokain genommen hatte; er sei in der Discothek "La Cage" auf der Reeperbahn verführt worden, sagte er.
Österreichs Skisprung-Olympiasieger Andreas Goldberger war etwa in einem Innsbrucker Nachtclub zu einer Portion Kokain überredet worden. Wo immer auch nicht nur Athleten schwach werden, Wirte und Party-Organisatoren denken wie der Hamburger Michael Ammer: "Was sich die Leute in meinen Clubs selbst mitbringen, kann ich nicht kontrollieren. Ich folge denen schließlich nicht auf die Toilette."

Wieso auch, hätte mancher Dichter und Denker vergangener Jahrhunderte gesagt; schließlich galten Drogen im Allgemeinen und Kokain im Besonderen einst als anerkanntes Mittel zur Linderung des Leids am mühsamen Leben. Das Verlangen nach einem kräftigen Rausch, lehrte der amerikanische Pharmakologie-Professor Ronald K. Siegel, könne "ebenso wenig wie Sex, Hunger und Durst jemals unterdrückt werden"; es sei "der vierte Trieb" und folglich "biologisch unvermeidlich".

Drum hielt sich Novalis an das Pflänzchen namens Mohn:
"Köstlicher Balsam träuft aus deiner Hand, aus dem Bündel Mohn. Die schweren Flügel des Gemüths hebst du empor."

Und schon Gottfried Benn gab sich dem Kokain hin:
"O Nacht! Ich nahm schon Kokain, /
und Blutverteilung ist im Gange, /
das Haar wird grau, die Jahre fliehn, /
ich muss, ich muss im Überschwange /
noch einmal vorm Vergängnis blühn."


Der älteste Beleg fürs Coca-Kauen ist fast 5000 Jahre alt. Die Inkas nutzten die Pflanze als Heilmittel und als rituelle Droge bei kulturellen Handlungen. Ende des 16. Jahrhunderts brachte der spanische Arzt Nicolas Monardes das erste Gewächs nach Europa. Der italienische Neurologe Paolo Mantagazza machte Coca in der alten Welt mit seiner 1859 erschienenen Schrift "Über die hygienischen und medizinischen Vorzüge der Coca" populär. Er berichtete nach Selbstversuchen über die psychedelischen Wirkungen und empfahl sie als Medikament - gegen Zahnschmerzen beispielsweise und gegen Verdauungsstörungen.

Ähnlich wie Heroin ist Kokain eine deutsche Entwicklung.
1860 promovierte der Chemiker Albert Niemann mit dem Thema "Über eine neue Base in den Cocablättern", und er gab dem Destillat auch den Namen: Kokain. Ein weiterer Deutscher, Wilhelm Lossen, bestimmte die Summenformel - C17 H21 NO4.
1863 ließ sich der korsische Chemiker Angelo Mariani einen Coca-Wein - eine Mixtur aus Süßwein und Coca-Extrakt - patentieren. Diesen "Vin Mariani" kosteten die Schriftsteller Jules Verne und Henrik Ibsen.
Freud beschrieb 1884 in seiner Publikation "Über Coca" Selbstversuche und empfahl Kokain als Stimulans gegen körperliche und geistige Erschöpfung, gegen Störungen der Magenverdauung - und als Elixier gegen Morphin- und Alkoholsucht. Der Stoff diente lange als Anästhetikum; selbst Coca-Cola enthielt bis 1903 Kokain. Und dann kamen die zwanziger Jahre (siehe Seite 152) und mit ihnen die Ära der Schnüffler.

Die nasengerechte Herstellung des Muntermachers ist denkbar einfach. Das aus den Blättern des Kokastrauches gewonnene Kokain wird mit Backpulver und Wasser vermischt, das Wasser anschließend verdunstet. Dadurch entstehen die weiß-gelblichen Kristalle, die in kleinen Briefchen verschweißt auf den Schwarzmarkt kommen.

Der Verbraucher verteilt seine Portion von 20 bis 120 Milligramm Schnee auf einer glatten Oberfläche, zerhackt die Kristalle und legt sich aus dem Pulver eine Linie. Mit einem Saugrohr zieht er anschließend den Stoff in die Nase; die Snobs bedienen sich dabei eines Tausendmarkscheines, der gemeine Kunde nimmt einen Strohhalm von McDonald's. Mit einer kräftigen Inhalation gelangt das Kokain dann an die Schleimhäute der oberen Nasenhöhle.
Manch einer steht darauf, sich das Pulver in die Schleimhäute des Genital- und Analbereichs einzureiben. Durchsetzen konnte sich diese Variante bisher nicht.
Über die Schleimhäute gelangt das Kokain innerhalb weniger Minuten in die Blutbahn, Atmung und Pulsfrequenz beschleunigen sich, die Pupillen werden weiter.

Auf scheinbar wundersame Weise entsteht das Gefühl, leistungsfähiger, stärker und schlauer zu sein. Kokain sei eine Droge, sagt Hinderk Emrich, Psychiater an der Medizinischen Hochschule Hannover, "die die Fassade verbessert und jede Depression wegbügelt". Der Berauschte ist bald weniger gehemmt, er ist gut gelaunt, er wird hemmungslos, er hat Lust auf Sex. Gleichzeitig wird er aggressiver, körperliche Stärke und Ausdauer nehmen zu. Und er erwirbt ein Standvermögen, das sich gerade für manches Liebesspiel günstig auswirkt.

Bitter indes: Der Rausch ist schnell vorbei.
Je nach Dosis und Gewöhnung an die Droge ist die Euphorie nach 20 bis 60 Minuten vorüber. Die Stimmung der Kokser wird mies, während gleichzeitig die Betriebsamkeit erhöht bleibt. Paranoide Wahnvorstellungen können nun auftreten. Das Selbstwertgefühl schwankt bisweilen derartig, dass viele Konsumenten erneut zur Droge greifen. Der Drang zur nächsten Linie ist enorm.

Kokain gilt darum als das Suchtmittel, das am schnellsten zur psychischen Abhängkeit führt. Forscher der Cambridge University fanden heraus, dass schon allein der Anblick der vertrauten Koks-Umgebung genügt, um ein sofortiges Verlangen nach neuem Stoff auszulösen.

Bei Versuchen mit Ratten fanden Wissenschaftler in Zürich einen weiteren teuren Nachteil der Modedroge: Während die Gier nach neuen Linien ständig steigt, lässt der Genuss stetig nach. Da Symptome körperlicher Abhängigkeit selten auftreten, gewinnen Kokser leicht den Eindruck, sie könnten jederzeit von der Droge wegkommen. Chronische Konsumenten merken oftmals nicht, dass ihre Nasenscheidewand bisweilen schon verätzt, der Darm verstopft, das Herz schwer angegriffen ist.

Nach Ergebnissen von Forschern der Harvard Medical School in Boston zählt Kokain mittlerweile zu den stärksten Auslösern für einen akuten Herzinfarkt. Wie alle Rauschmittel verändert Kokain auf Dauer radikal das Leben der Süchtigen. Der ganze Tagesablauf dreht sich irgendwann allein um die nächste Inhalation und um die Sorge, die Abhängigkeit vor Fremden zu verbergen. Das Verdrängen der eigenen Situation und die Unfähigkeit, das wahre Leben noch wahrzunehmen, führt selbst bei präzise denkenden Süchtigen nicht selten zu einem totalen Realitätsverlust.

Hat sich Christoph Daum aus diesem Grunde auf eine Haaranalyse eingelassen, obwohl er wissen musste, dass diese nur positiv ausfallen konnte? Dieses Phänomen kenne die Drogenhilfe seit langem, sagt der Suchtfachmann Hüllinghorst, "die Aufdeckung der Wahrheit wird bis zum letzten Moment hinausgeschoben, und ein Haartest gibt immerhin noch ein paar Wochen Aufschub". Oder haben Daum, der immer noch über Freunde Verschwörungstheorien verbreitet, und seine Berater nur die Methoden der modernen Haaranalyse unterschätzt?

"Viele Ärzte rechnen, dass ein Haar um einen Zentimeter pro Monat wächst und deshalb nach einem halben Jahr nichts mehr zu finden ist", sagt der Münchner Rechtsmediziner Hans Sachs, "so einfach ist das aber nicht. Es gibt große Überschneidungsbereiche."
Oder hoffte Daum vielleicht sogar, dass die Wahrheit seiner Sucht endlich ans Licht kommt, wie der Münchner Liedermacher und Ex-Kokser Konstantin Wecker glaubt: "Er wollte den Knall, er wollte die Katastrophe, die ihm hilft auszusteigen."

Der Frankfurter Drogen-Therapeut Martin Knobloch-Reith stützt diese These, denn dies sei ein typischer Effekt bei Koksern: "Entweder durchhalten und weiterkoksen oder einen Schnitt machen." Nicht jeder fällt so tief wie Christoph Daum.

Das wissenschaftliche Projekt "Kokain in Frankfurt", das die Erfahrungen von 42 Usern aus dem bürgerlichen Milieu auswertete, belegt immerhin, dass die meisten Schnupfer, auch Gewohnheitskokser, ihren Konsum so weit unter Kontrolle haben, dass sie in ein normales Alltags- und Arbeitsleben integrierbar bleiben.
Diese Kokser nutzen den Stoff so ähnlich wie einen CD-Player oder ein Rockkonzert - die Droge als Konsumartikel der Freizeitgesellschaft. Viele von ihnen sind in den harten Ecstasy-Zeiten der deutschen Clubs Anfang und Mitte der neunziger Jahre sozialisiert worden und haben jetzt genug Geld, auf den gepflegteren Kokskick zurückzugreifen. In solchen Kreisen gilt es als Statussymbol, Bekannte auf eine Line einladen zu können: Wer hat, der hat.

Im weiteren Verlauf, so die Forscher, habe sich ein "klarer geschlechtsspezifischer Unterschied" herausgestellt: Die Männer mussten das Kokain bezahlen, die Frauen boten im Gegengeschäft Sex, waren oft mit Dealern oder Szenegängern liiert. Ging die Beziehung zu Ende, versiegte die Quelle.

Ihre erste Erfahrung beschreiben die bürgerlichen Kokser als "ganz gut" bis "genial"; sie entspräche nur nicht den "superhohen Erwartungen", da "eigentlich gar nichts" passiere. Aber dann, am Ende, wird es heftig: "Zum Schluss, ohne das Zeug, biste niemand, biste gar nix mehr, eine leere Hülle, so 'n Roboter, dem der Strom ausgeht." Da machen die meisten doch lieber weiter.

Schon reagieren Betriebe und Behörden auf den Boom der Alltagsdroge Kokain. In sieben Bundesländern müssen sich Bewerber für den Polizeidienst bereits einem Drogentest unterziehen. Heftige Proteste hatte jüngst Wolfgang Scherrenbacher, der Leiter des arbeitsmedizinischen Dienstes der Stadt Stuttgart, ausgelöst. Um dem "steigenden Drogenmissbrauch etwas entgegenzusetzen", will er städtische Bedienstete wie Bademeister vor der Einstellung zu Drogentests verpflichten. Die macht die DaimlerChrysler AG schon in einigen Standorten - und das wohl aus gutem Grund. Bei anonymisierten Tests unter den Azubis des Autobauers waren im Schnitt rund fünf Prozent positiv, am Montagmorgen waren es sogar zehn Prozent.

Die Versorgung in Deutschland erledigen meist Organisationen, die streng hierarchisch aufgebaut sind und mitunter wie Mittelständler bis zu 100 Mitarbeiter beschäftigen. Der frühere Kokainschmuggler Roland M., bekannt als "Schneekönig von Hamburg", verhandelte mit den Drogenbossen in Kolumbien zweispurig. Wollte er mehr als ein Kilo abnehmen, sei das ein "Kaffeeund-Kuchen-Markt" gewesen. Man habe entspannt zusammengesessen und verhandelt - "ganz seriös, wie bei einem Bananengeschäft". Gefährlich wurde es nur dann, wenn er weniger als ein Kilogramm brauchte. "Dann wurde gestochen und geschossen."

Münchner Dealer holen sich den Stoff oft auch aus Italien. Seit Albaner den Koks mit schnellen Booten über die Meerenge bringen, gilt Italien als das Dorado der Kokainsociety. Die Namen jener Münchner Ristorantes wiederum, in denen einfach an Kokain zu kommen ist, sind der Szene bestens bekannt. Italienische Kellner gelten ähnlich wie Discjockeys als fester Bestandteil der Kleindealerszene. Doch sie leben nicht mehr so ungestört wie vor einigen Jahren.

Die bayerische Metropole ist die Hochburg der Strafverfolgung. Akribisch versucht die Polizei, auch den kleinsten Konsumenten zu ermitteln. Fahndungserfolge haben die bayerischen Ermittler durch den flächendeckenden Einsatz der so genannten kleinen Kronzeugenregelung des Betäubungsmittelgesetzes. Nahezu jedem Dealer offerieren die Beamten nach der Festnahme das Angebot, durch Bekanntgabe des Lieferanten und des Kundenkreises mit einer milderen Strafe davonzukommen. Auch aufwendige Abhöraktionen wie bei Daum gelten im CSU-Reich als probates Mittel - bei einem italienischen Kleindealer wurden zwischen September und Dezember 1999 allein 3000 Handy-Telefonate mitgeschnitten. Dabei ersparen die Bayern auch den Prominenten die Pein eines öffentlichen Verfahrens nicht.

Nur in wenigen Fällen gelingt es Strafverteidigern, die Staatsanwaltschaft davon zu überzeugen, die Sache lieber geräuschlos mit einem Strafbefehl zu erledigen. Selbst für ein Gramm Koks gelten drei bis sechs Monate Haft auf Bewährung als übliches Strafmaß. Zudem muss der ertappte Kokaindelinquent in jedem Fall mit dem Entzug seines Führerscheins rechnen.
Die Staatsanwaltschaften schalten von Amts wegen die Ordnungsbehörden ein, der Erwischte wird aufgefordert, ein so genanntes Drogenscreening vorzulegen. Wie bei Daum wird ein Haar untersucht, um zu klären, ob der Drogenkonsum länger zurückliegt. Hat er bis zuletzt geschnupft, ist der Schein weg - gleich ohne jede zeitliche Begrenzung.

Dennoch: Münchens Anwälte, Broker, und Werber hält das alles nicht davon ab, weiter draufloszukoksen. Ein Immobilienhändler antwortete jüngst einem Richter auf die Frage, warum er denn gleich 200 Gramm gekauft habe: "Wenn Sie Bier holen, kaufen Sie doch auch nicht nur eine Flasche."

Es ist nur eben so, dass Kokain gefährlicher ist. Der Stoff gaukelt eine besondere Leistungsfähigkeit ja nur vor. Der Sänger Wecker beispielsweise fühlte sich auf Koks so begabt wie nie zuvor - doch wenn er wieder nüchtern war, stellte er fest, dass er nur ein paar lausige Akkorde aufs Papier gekritzelt hatte. "Wer wirklich gut ist, nimmt es eben gerade nicht", sagt der Dramaturg der Berliner Volksbühne Carl Hegemann, der Kokain sowieso für eine "eklige Droge" hält, "weil die Leute sich unter ihrem Einfluss oft ekelhaft benehmen". Musiker Elton John etwa empfand den Stoff zunächst als Hilfsmittel zur Selbstbefreiung, doch "es endete mit den Jahren in totaler Einsamkeit". Heute erinnert er sich zurück an den "Alptraum" dieser Sucht, und "manchmal, wenn ich über die Schweizer Alpen fliege, denke ich, da unten liegt all das Koks, das ich geschnupft habe".

Das entscheidende Argument gegen Kokain aber ist, dass es mörderisch wirken kann. Jederzeit, sagt Friedrich Ingwersen, Chefarzt der auf die Behandlung Suchtkranker spezialisierten Fachklinik für soziopsychosomatische Medizin Rastede, könne der Abhängige "suizidal oder parasuizidal" werden; im zweiten Fall mischt er sich einen Cocktail jener Art, der vor 18 Jahren Regisseur Rainer Werner Fassbinder tötete.
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